Befreundete Herrscher:
So läßt sich seit 989/90 eine Konzeption Theophanus erweisen, eines "Europäischen Staatensystems" mit Kaiser und Papst an der Spitze, mit durch gemeinsamen Glauben und "amicitia" ("confraternitas") verbundenen "Staaten", Fürstentümern und Königreichen, die durch Fahnenlehen (vgl. Liuthar-Evangeliar) dem Kaiser verbunden waren. So kann man mit aller gebotenen Vorsicht sagen, daß Kaiserin Theophanu mit Hilfe des Hl. Adalbert 989/90 die erste Konzeption eines friedlichen Europäischen Staatenbundes entworfen hat - ein weiterer Grund, der großen Kaiserin gerade in dieser Zeit der Ost-West-Annäherung in einem "Europäischen Haus" zu ihrem 1000. Todestag dankbar zu gedenken.
Gunther Wolf, Kaiserin Theophanu und Europa, in: Kaiserin Theophanu. Prinzessin aus der Fremde - des Westreichs Große Kaiserin. Mit Beiträgen von Helmut Fußbroich, Peter von Steinitz, Franz Tinnefeld, Hiltrud Westermann-Angerhausen und Gunther Wolf, Köln: Böhlau 1991, S. 97-105.
Aber es ist auch kein Zweifel, daß Ottos III. Verhalten gegenüber Venedig, Polen und Ungarn eben nicht das zu Vasallen im strengen Sinne war, zu subditi, sondern das zu amici (φίλοι), womit er, wie sich zeigt, ein altrömisch-byzantinisches Rechtsinstitut aufnahm und ausgestaltete.
Gunther Wolf: Das politische Erbe der Kaiserin Theophanu - oder: Ottos III. Konzeption eines "europäischen Staatensystems".