Selig sind, die da Leid tragen,
denn sie sollen getröstet werden.
Matthäus 5,4
Liest man zu Ende, was Jesus bei seinem ersten öffentlichen Auftreten in der Synagoge von Nazareth (Lukas 4,16-30) aus dem Buch des Propheten Jesaja vorlas, dann wird klar, dass es sozusagen unberechnet in der klassischen Aufzählung der Werke der Barmherzigkeit schon immer ein "achtes Werk der Barmherzigkeit" gegeben hat: das Trösten aller Trauernden (Jesaja 61,2).
Das "Trostamt der Kirche" hat besonders Martin Luther so sehr beschäftigt, dass er es mehrfach besonders erwähnt und hervorgehoben hat. So heißt es in seiner berühmten Seelsorgeformel in den Schmalkaldischen Artikeln:
"Wir wollen nun wieder zum Evangelium kommen, welches nicht nur auf eine Art Rat und Hilfe gegen die Sünde gibt; denn Gott ist überschwenglich reich in seiner Gnade. Erstens durchs mündliche Wort, worin Vergebung der Sünde in aller Welt gepredigt wird; das ist das eigentliche Amt des Evangeliums. Zweitens durch die Taufe. Drittens durch das heilige Sakrament des Altars. Viertens durch die Schlüsselgewalt und auch per mutuum colloquium et consolationem fratrum - durch die gegenseitige brüderliche Aussprache und Tröstung."
Das Priestertum aller Gläubigen hat genau hier seinen Ursprung - im gegenseitigen Trösten und Vergeben von Schuld. Es ist der eigentlich christliche Freundschaftsdienst, den wir einander zukommen lassen, ja von Herzen gönnen sollen. Es ist ein einfacher mitmenschlicher und ganz und gar unverzichtbarer Dienst. Jede und jeder kann ihn tun - lauter, einfach und zugewandt.
Das Trostamt der Kirche braucht außer Beherztheit eigentlich keine Vorbereitung. Aber es hat sich bewährt, in der Begleitung trauernder Menschen wenigstens aufmerksam zu werden auf das, was wir wissen und einüben können in der Nachfolge Jesu. Der auferstandene Christus hat so die beiden Emmaus-Jünger getröstet (Lukas 24,13-35): sie wahrgenommen, begleitet, gehört und verstanden. Er war schon ein Stück weitergegangen, damit es auch für sie weitergehen konnte. Aber dann ist er geblieben und hat erst nach gehabter Gemeinschaft losgelassen und ist aufgestanden.
Ihm nach lernen wir so, Trauernden nahe zu sein und sie zu trösten. Nicht als "leidige Tröster" und irgendwie "besserwisserisch", sondern mitmenschlich nah, aufmerksam im Begleiten und Zuhören, damit die Trauernden sich so fühlen können: wahrgenommen, begleitet, gehört, verstanden, weitergegangen, geblieben, losgelassen, aufgestanden. Denn Trauer soll "verwandelt werden in einen Reigen" (Psalm 30,12).
Die acht Affirmationen dieses Begleithandbuches wollen gute Trauerbegleitung befördern und uns stärken in unserem Dasein als Mitmenschen und christliche Geschwister. Für das Projekt "Sei nahe in schweren Zeiten - Handreichung zur Vorbereitung Ehrenamtlicher in der Trauerbegleitung" stellen sie die Materialien des Vertiefungskurses dar.
Für Anregungen und erste Erfahrungen in der Weitergabe des Vertiefungskurses danke ich Gerlinde Martins, Schwerin, und Barbara Wilkens, Husum.
Schleswig/ Rendsburg, im Juni 2011 Peter Godzik
Es ist ein alter Streit in der Seelsorge, ob seelsorgerliche Begleitung immer nur mitgeht oder vielleicht doch auch selber Impulse gibt. Ich erinnere mich dabei an einen Hinweis von Joachim Scharfenberg: In der Verhaltenstherapie weiß der Therapeut, was gut ist für den Patienten (pessimistisches Menschenbild); in der Gesprächspsychotherapie weiß der Patient selber, was gut für ihn ist (optimistisches Menschenbild); im psychoanalytisch bzw. tiefenpsychologisch orientierten Gespräch und in der seelsorgerlichen Beziehung auf Zeit ereignet sich die Wahrheit zwischen den beiden Gesprächspartnern, sie ist nicht einfach verfügbar (realistisches Menschenbild).
So verstandene Seelsorge geht nicht nur mit (Begleitung), sondern rechnet damit, im entscheidenden Moment auch Hilfe und Unterstützung (durch Deutung und Ritual) anbieten zu können. Das setzt "Konzepte" und "Wegweiser" voraus, die vorgedacht, vorgelebt und bei Bedarf angeboten werden. Dem dienen die hier angebotenen Materialien. Sie wollen nicht einfach an die Trauernden weitergegeben werden, sondern Haltungen in den Begleitenden erzeugen, die eine gute seelsorgerliche Beziehung ermöglichen.