von Peter Godzik
Martin Luther wurde vor 500 Jahren in eine Welt hinein geboren, die erfüllt war von Angst. "Das Ende ist nahe", sagten viele: "Alles wird vergehen. Die Reiter der Endzeit werden kommen, die apokalyptischen Reiter. Sie werden Kaiser und Papst genauso hinmähen, wie den Bürger oder den Armen. Niemand wird davonkommen." Die Menschen hatten schreckliche Angst: "Was können wir tun?" fragten sie, "dass wir gerettet werden."
Martin Luther hat diese Ängste geteilt. Er ging ins Kloster, er quälte sich. Immer wieder standen ihm seine Sünden vor Augen. Er fragte sich: "Wie finde ich einen gnädigen Gott?" Bis er eines Tages eine Entdeckung machte, eine große erlösende, befreiende Entdeckung: Römer 9, Vers 16: "Allein aus Gnade ..."
Bei dir gilt nichts, denn Gnad und Gunst,
die Sünde zu vergeben;
es ist doch unser Tun umsonst,
auch in dem besten Leben.
Vor dir niemand sich rühmen kann,
des muss dich fürchten jedermann
und deiner Gnade leben. (EKG 195,2)
Martin Luther hatte Frieden gefunden mit Gott und das gab ihm den Mut, sich gegen die Missstände seiner Zeit zu stellen: "Der Christ muss den Ablaß verwerfen", sagte er. Und: "Die römische Kirche kann irren!" Das hatte lange Zeit niemand zu sagen gewagt. Die Folgen dieses Protestes blieben nicht aus: der Kirchenbann und die Reichsacht wurden über Luther verhängt. Aber er ließ sich nicht schrecken. Zuviele standen auf seiner Seite.
Einige wollten die Sache Luthers mit Gewalt voranbringen: die Bilderstürmer und die Bauern. Luther predigte gegen alle Gewalt. "Wir brauchen Liebe füreinander", sagte er und mahnte die Bauern: "Haltet Frieden!" Als sie gewalttätig wurden, hat er gegen die "räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern" geschrieben. Er sorgte sich um die innere Ordnung der neuentstehenden Kirche: "Wir brauchen Schulen", sagte Luther, "wir brauchen Lehrer in allen Orten. Es sollen die besten sein." Alle sollten die Bibel lesen können, alle sollten evangelische Lieder singen, alle sollten den Glauben in kurzgefasster Form sagen können. Also schrieb Luther evangelische Lieder, z.B. "Ein feste Burg ist unser Gott", den Großen und den Kleinen Katechismus und übersetzte die Bibel ins Deutsche.
Mich erinnert manches aus der Geschichte der Reformation an die heutige Zeit: die Ängste der Menschen, ihr Protest gegen Fehlentwicklungen und ihre Suche nach Sinn, ihr Engagement für Frieden und Gerechtigkeit, ihr Streben nach sachgerechter Information und unbeirrbarem Handeln. Es ist wieder eine Zeit des Umbruchs. Da könnte der Weg Martin Luthers unter uns neue Bedeutung gewinnen: dass wir Gottes gnädiges Ja zum Leben in Jesus Christus erkennen und daraus Mut gewinnen für unser Verhalten in dieser bedrohten Welt. Lassen sie uns umkehren zum Leben - im Frieden mit Gott und mit allen Menschen.
In: Kirche in Büdelsdorf. Information - Besinnung - Meinungsbildung, Ausgabe Oktober 1983.
Vgl. dazu auch: Peter M. Wehmeier, Die Biographie Martin Luthers, in: Deutsches Pfarrerblatt 10/2017, S. 553-555.