Gast und Fremdling

 

Von Peter Godzik, Propst in Ratzeburg

 

So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen. (Epheser 2,19)

 

„Zu Hause ist es doch am schönsten“, so freut sich der Urlauber, nachdem er sich in der Fremde verwöhnen ließ. Braungebrannt, voller Eindrücke, gepflegt und wohlgenährt kehrt er dann doch gerne wieder in seine gewohnte Umgebung zurück. Denn hier warten schon die Daheimgebliebenen, Verwandte und Freunde.

„Zu Hause ist es doch am schönsten“, das ist mehr als ein Sprichwort. Auch wenn der Urlaub in der Fremde den Komfort zu Hause weit übertroffen hat, auch wenn die Menschen am Urlaubsort sich in ihrer Gastfreundlichkeit gegenseitig überboten, steht dagegen doch auch eine ernüchternde Erfahrung. Es ist die Erfahrung, dass der bestens bewirtete Gast weniger Rechte als der normale Einheimische hat. Er hat weniger Einsicht in die Verhältnisse vor Ort. Er erhält weniger Vertrauen als ein Ortsansässiger. Er ist eben Gast. Er ist eben Fremdling. Er ist erwünscht oder geduldet wegen seines Geldes. Er ist nur auf Zeit anwesend.

Nicht nur im Urlaub in südlichen Ländern, sondern auch in christlichen Häusern gibt es heute noch manchmal den Brauch, das Beste auf den Tisch zu stellen, wenn Gäste erwartet werden. Aber das gibt den Gästen nicht die Rechte, die den Hausbewohnern zustehen. Bestimmte Teile der Wohnung sind z.B. für die Gäste tabu. Ein ordentlicher Gast bewegt sich vorsichtiger durch die ihm fremde Wohnung als die Einheimischen.

„Nicht mehr Gäste und Fremdlinge seid ihr, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.“ Das ist Mahnung und Verheißung im Epheserbrief. Aus Menschen verschiedener Herkunft macht der Glaube ein neues Volk, Mitbürger der Heiligen. Frauen und Männer. Auch wer erst später zu diesem Volk hinzugestoßen ist, gehört gleichberechtigt dazu.

In unseren Gemeinden sollte der Wochenspruch Nachdenken auslösen, denn längst sind die besten Plätze in unseren Gruppen und Veranstaltungen verteilt. Neulinge, Neugierige, Gottsuchende werden oft genug wie Eindringlinge behandelt, im besten Fall wie Gäste, die bald wieder gehen werden. Der Gaststatus aber ist nach neutestamentlichen Maßstäben zu wenig für unsere Zusammenkünfte, denn Ziel unserer Gemeinschaft in der Kirche ist die Einbürgerung als die Heiligen und Hausgenossen Gottes mit gleichen Rechten und Pflichten.

„Zu Hause ist es doch am schönsten!“ Dieses Sprichwort gilt in der christlichen Gemeinde für meinen Nächsten wie für mich selbst.