Zu Weihnachten 2007

 

Was für eine Liebe!

 

Von Peter Godzik, Propst in Ratzeburg

 

„Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen“ - das ist die Botschaft des Weihnachtsfestes. Was bedeutet es, dass wieder so viele Menschen in die Heiligabend-Gottesdienste kommen, um die Botschaft der Liebe Gottes zu hören?

Viele Menschen kommen als Mühselige und Beladene, als Zweifelnde und Suchende. Sie möchten erleben, dass das Wunder einer herzlichen Liebe auch sie ergreift. Manche können gar nicht mehr glauben, aber sie bringen eine Erwartung und eine stille Hoffnung mit: Gott glaubt an mich, Gott wendet sich mir zu, Gott fängt in diesem Kind auch noch einmal mit mir ganz neu an.

„Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater er­wiesen“ - das sehen wir, das hören wir in unseren ganz unter­schiedlichen Lebenssituationen. Und wir sind dankbar, dass da mit dem neugeborenen Kind auch etwas neu werden darf in uns.

 „Wir sollen Gottes Kinder heißen - und wir sind es auch!“ Gottes Kinder - das klingt liebevoll und herzlich. Ein fröhliches Gotteskind zu sein - wer wünschte sich das nicht? Aber gleich mischen sich Zweifel und Skepsis ein, weil wir so schrecklich erwachsen und nüchtern geworden sind.

Wir können es uns nicht leisten, als Kinder herumzulaufen. Wir müssen nüchtern und realistisch sein, unsere Verantwortung wahrnehmen in dieser komplizierten Welt, unsere Arbeitskraft einbringen und unsere Sehnsüchte und Erwartungen auf ein verträgliches Maß zurückschrauben. Was heißt es da, ein fröhliches Gotteskind zu sein?

„Kindsein“ meint ja nicht ein kindisches und unreifes Verhalten, keine Schlaraffenland-Träume, sondern das tiefe Vertrauens- und Verpflichtungsverhältnis, das sich daraus ergibt, dass das Kind einmal der Erbe sein wird.

Gotteskinder sind Gotteserben und bekommen damit eine hohe Würde zugesprochen. Wir sind eben nicht bloß Knechte und Mägde, keine Leibeigenen oder Unter­tanen, sondern geliebte Kinder, zukünftige Erben der großen Verheißungen Gottes. Darin liegt unsere ganze Würde als Men­schen. Von Anfang an sind wir so gemeint - von der Schöpfung der Welt her, von unserer eigenen Geburt und Namensgebung her sind wir in diesen bedeutsamen Zusammenhang gestellt: Gottes Kinder und seine Erben zu sein.

Aber wie sind wir umgegangen mit diesem Geschenk und Erbe unse­rer Gott­eben­bildlichkeit in der Geschichte der Menschheit? Bilder von Krieg und Vertreibung, von Diebstahl, Vergewaltigung und Mord gemahnen uns daran, dass wir Menschen in all den Jahren des Leids und der gegenseitigen Verletzung nur wenig dazugelernt haben.

Wir verachten und beschädigen unser Erbe; wir verweigern uns, so zu leben, wie wir ge­meint sind: als Gottes Kinder und seine Erben in Liebe und Ge­rechtigkeit. Wir zerstören unsere Gottebenbildlichkeit und ver­kehren sie ins Gegenteil.

Aber auch wenn wir aufgehört haben, an Gott zu glauben, so hört doch Gott nicht auf, an uns zu glauben. Er geht uns nach mit Liebe und Strenge, er sucht uns mit großer Geduld und Barm­herzigkeit, er möchte uns heimbringen und heil machen; er möchte, dass wir umkehren und zurückfinden ins Vaterhaus.

So schenkt er uns sein heilendes und zurechtbringendes Wort durch all die Prediger und Propheten, die er unablässig rufen lässt, wie liebevoll und barmherzig er ist, geduldig und von großer Güte. Er will ja nicht unseren Tod und unser Verderben, sondern dass wir leben und fröhlich sind. Er will sich nicht auf ewig von uns abwenden und für immer zornig bleiben, obwohl wir es mit manchem Übermut durchaus verdient hätten.

Er schenkt uns als Zeichen seiner unendlichen Liebe seinen Sohn, damit auch in uns etwas Neues geboren werden kann und wir wieder werden, was wir von Anfang an waren: Gottes Kinder und seine Erben in Liebe und Gerechtigkeit.

Das Wunder der Weihnacht besteht darin, dass Gott von sich aus die zerbrochene Gottebenbildlichkeit im Menschen wiederher­stellt in diesem Kind in der Krippe. Es ist ein armseliger Anfang, bedroht und gefährdet von allen Seiten. Aber es ist ein Anfang, der weitergeht und den niemand mehr herausschaffen kann aus dieser Welt - auch Tod und Teufel nicht. Damit sind wir gerettet. Es kann etwas wachsen und neu werden in uns.

Unser Herz kann zum Stall und zur Krippe werden, in dem das Gottes­kind, unsere menschliche Würde, neu geboren werden kann. Klein und bescheiden fängt es an, aber es hat eine große Verheißung: „Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen - und es auch sind!“

Wenn wir das verstanden haben, dass mit der Geburt des Gottes­sohnes in der Heiligen Nacht wir selber an Weihnachten zu Gotteskindern geworden sind, dann ist alles gut, dann ist Gott mit seiner frohen und liebevollen Botschaft bei uns angekommen. Denn um anderes geht es nicht.