Jubilate

 

Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. (Lukas 1,51) – Eine Erinnerung an die Überwindung von Diktaturen und Diktatoren.

Wenn Gott durch Vermittlung der Kreaturen wirkt, so sieht man öffentlich, wo Gewalt oder Schwäche sei. Daher kommt das Sprichwort: Gott hilft dem Stärksten. Also, welcher Fürst den Krieg gewinnt, durch den hat Gott die andern geschlagen. Frisst ein Wolf jemanden oder wird er sonst geschädigt, so ist’s durch die Kreatur geschehen. So macht und zerbricht Gott eine Kreatur durch die andere. Wer da liegt, der liegt; wer da steht, der steht.

Aber wenn er selbst durch seinen Arm wirkt, da geht es anders zu: da ist’s zerstört, eher als man meint, (und) umgekehrt erbaut, ehe man’s meint und es jemand sieht. Solches Werk tut er nun zwischen den beiden Teilen der Welt, den Frommen und den Bösen.

Da lässt er die Frommen kraftlos und unterdrückt werden, dass jedermann meint, es sei mit ihnen aus, es habe ein Ende, und eben in demselben ist er am stärksten da, so ganz verborgen und heimlich, dass die auch selbst es nicht fühlen, die da den Druck erleiden, sondern glauben’s. Da ist Gottes Stärke voll und der ganze Arm. Denn wo Menschenkraft hinausgeht, da geht Gottes Kraft herein, wenn der Glaube da ist und des wartet.

 

 Wenn nun der Druck zuende ist, dann bricht’s hervor, was für eine Stärke unter der Krankheit da gewesen ist. Siehe, so wurde Christus kraftlos am Kreuz und eben daselbst tat er die größte Machttat, überwand die Sünde, Tod, Welt, Hölle, Teufel und alles Übel. So sind alle Märtyrer stark gewesen und haben gewonnen, so gewinnen auch noch (heute) alle Leidenden und Unterdrückten.

Umgekehrt lässt Gott den anderen Teil sich groß und mächtig erheben. Er zieht seine Kraft heraus und lässt sie sich nur aus eigener Kraft aufblasen. Denn wo Menschenkraft hereingeht, da geht Gotteskraft hinaus. Wenn nun die Blase voll ist, und jedermann meint, sie liegen oben, haben gewonnen, und sie nun auch selbst sicher sind und es ans Ende gebracht haben, dann sticht Gott ein Loch in die Blase, so ist’s ganz aus. Die Narren wissen nicht, dass sie eben, während sie aufgehen und stark werden, von Gott verlassen sind und Gottes Arm nicht bei ihnen ist. Darum währt ihr Ding seine Zeit; danach verschwindet es wie eine Wasserblase, wird, als wäre es nie gewesen.

Es gebricht nur am Glauben, dass wir nicht auch so ein wenig Zeit warten können, sonst würden wir auch fein sehen, wie die Barmherzigkeit bei den Furchtsamen mit aller Stärke Gottes ist und der Arm Gottes wider die Hoffärtigen mit allem Ernst und Gewalt (aus: Martin Luther, Das Magnifikat verdeutscht und ausgelegt, 1521).

Propst Peter Godzik