Gustav Mahler, 2. Sinfonie c-Moll, 5. Satz: "Aufersteh'n"
Langsam. Misterioso (LSO 1987; WPh 2003)
Sopran-Solo und Chor
Aufersteh'n, ja aufersteh'n wirst du,
mein Staub, nach kurzer Ruh!
Unsterblich Leben! Unsterblich Leben
wird, der dich rief, dich rief, dir geben!
Wieder aufzublüh'n, wirst du gesä't!
Wieder aufzublüh'n, wirst du gesä't!
Der Herr der Ernte, der Herr der Ernte geht
und sammelt Garben uns ein, die starben!
Etwas bewegter (LSO 1987; WPh 2003)
Alt-Solo
O glaube! Mein Herz, o glaube:
Es geht dir nichts verloren!
Dein ist, Dein, ja Dein, was du gesehnt!
Dein, was du geliebt, was du gestritten!
Sopran-Solo
O glaube: Du wardst nicht umsonst geboren!
Hast nicht umsonst gelebt, gelitten!
Chor und Alt-Solo
Was entstanden ist, das muss vergehen!
Was vergangen, auferstehen!
Hör' auf zu beben! Hör' auf zu beben!
Bereite dich! Bereite dich zu leben!
Mit Aufschwung, aber nicht eilen (LSO 1987; WPh 2003)
Alt-Solo und Sopran-Solo
O Schmerz! Du Alldurchdringer!
Dir bin ich entrungen!
O Tod! Du Allbezwinger!
Nun bist du bezwungen!
Mit Flügeln, die ich mir errungen,
in heißem Liebesstreben
werd' ich entschweben
zum Licht, zu dem kein Aug' gedrungen!
Chor
Mit Flügeln, die ich mir errungen,
werde ich entschweben!
Mit Flügeln, die ich mir errungen,
werde ich entschweben!
(noch mehrmals wiederholt)
Sterben werd' ich, um zu leben!
Sterben werd' ich, um zu leben!
Aufersteh'n, ja aufersteh'n wirst du,
mein Herz, in einem Nu!
Was du geschlagen, was du geschlagen,
zu Gott, zu Gott, zu Gott wird es dich tragen!
Text von Friedrich Gottlieb Klopstock (Strophen I & II) und Gustav Mahler
Klaus Döge: "Sterben werd' ich, um zu leben!", in: Münchner Philharmoniker (Hrsg.), Antrittskonzert von Valery Gergiev. Programmheft, München 2015, S. 3-10, hier S. 8:
Die Anregung zum Finalsatz von Mahlers c-Moll-Symphonie ging von den im Trauergottesdienst für Hans von Bülow gesungenen Klopstock-Worten "Auferstehen, ja, auferstehen" aus. Das bestätigte der Komponist rückwirkend, als er an einen Freund schrieb: "Ich trug mich damals lange Zeit schon mit dem Gedanken, zum letzten Satz den Chor herbeizuziehen, und nur die Sorge, man möchte dies als äußerliche Nachahmung Beethovens empfinden, ließ mich immer und immer wieder zögern! Zu dieser Zeit starb Bülow, und ich wohnte seiner Totenfeier bei. Die Stimmung, in der ich da saß und des Heimgegangenen gedachte, war so recht im Geiste des Werkes, das ich damals mit mir herumtrug. Da intonierte der Chor von der Orgel den Klopstock-Choral 'Aufersteh'n'! - Wie ein Blitz traf mich dies, und alles stand klar und deutlich vor meiner Seele! Auf diesen Blitz wartet der Schaffende, dies ist 'die heilige Empfängnis'!"
Gehört hatte Mahler das 5-strophige Gedicht in der gerade in Hamburg sehr beliebten Vertonung von Carl Heinrich Graun. Für seine Komposition übernahm Mahler allerdings nur die ersten beiden Strophen und diese wiederum mit kleinen Veränderungen: Klopstocks Worte in Strophe 1 "der dich schuf" lauteten bei Mahler zunächst "der dich liebt", in der Endfassung dann "der dich rief"; und in Strophe 2 wird der Klopstock-Vers "Wieder aufzublühn werd ich gesät" von Mahler verwandelt zu "Wieder aufzublüh'n, wirst du gesä't". Alle übrigen Verse seiner Textvorlage hat Mahler, sich in Stil und Duktus an Klopstocks Vorbild anlehnend, selbst hinzugedichtet.