Jedes Jahr sind Menschen unterwegs in den
Urlaub, um Neues zu sehen, einmal richtig auszuspannen, fremden Menschen
zu begegnen. Andere beteiligen sich an Studienreisen, um Städte, Kunst
und Kultur der Heimat oder eines fremden Landes kennen zu lernen. Wieder
andere begeben sich aus religiösen Gründen auf eine längere
Pilgerreise, gerade in diesem besonderen Jahr 2000.
Schließlich gibt es nicht wenige,
die brechen auf in die Stille eines Klosters, in eine besinnliche Weiterbildung,
um sich selber, ihren Nächsten oder Gott zu finden. Allen gemeinsam
ist eine mehr oder weniger ausgeprägte Sehnsucht, die unterschiedliche
Ziele, äußere Veränderungen und innere Verwandlungen anstrebt.
Neben dem Verlangen, einfach einmal „die Tapeten zu wechseln“, bricht bei
vielen eine Sehnsucht auf, deren Aufmerksamkeit sich auf etwas richtet,
„was mehr ist als Stoffwechsel, Blutkreislauf, Nahrungsaufnahme, Zellenzerfall“
(G. Kunert).
Menschen mit solcher Sehnsucht begegnen
wir häufig auf den Jakobuswegen nach Santiago de Compostela oder auch
auf den Pilgerreisen, die gerade in diesen Wochen durch Nordelbien oder
das Lauenburger Land führen. Sie wollen die Kirchen, Klöster,
Dörfer und Städte am Weg kennen lernen, sie freuen sich über
Museumsbesuche, Folklore, Landesgeschichte, Kirchen, örtliche Besonderheiten.
Doch sie suchen mehr als das. Sie sind Sucherinnen und Sucher nach Deutung
und Sinn des jeweiligen Pilgerweges, aber auch eines Weges für sich
und oft auch „für mehr als mich“ (G. Kunert). Vielleicht hat die Erzählung
von einer Pilgerreise sie in Bewegung gebracht, eine befreundete Person,
eine schicksalhafte Begegnung, eine Krankheit oder eine tiefe Frage nach
Sinn.
Die Sehnsucht der Sinnsuche nimmt Gestalt
an, indem wir einfach aufbrechen. Wir spüren es dann mit allen Sinnen,
mit Leib und Seele während des Unterwegsseins, was wirklich gut für
uns ist und was wir brauchen. Wir erleben es besonders beim Ankommen: Da
ist ein Ziel und wenn es auch nur ein vorläufiges ist, da gibt es
ein Willkommen und eine Möglichkeit zum Ausruhen. Am Ende unserer
Wegstrecken dürfen wir ankommen und entdecken die Gemeinschaft der
Mitwandernden, Mitsuchenden, Mitankommenden. Nicht irgendwo, sondern an
einem konkreten Ort kommen wir an mitten im Alltag des Lebens. Dort ist
der Ort, an dem „Himmel und Erde sich berühren“. Leben ist ein Weg
und ich bin als Pilger suchend und immer wieder ankommend unterwegs.
Pilgern heißt also, bewusst einer
Sehnsucht nach-gehen: nach dem Wesentlichen, nach Begegnung mit Gott, mit
anderen, mit sich selbst. Die Schnelligkeit des vertrauten Alltags wird
zurückgelassen. Pilgernde Menschen brechen in das Unerwartete auf.
Das Loslassen geschieht im Gehen wie von selbst. Durch geistliche Elemente
wie Singen und Meditieren, Gottesdienst feiern und Bibelworte hören,
sich austauschen und schweigen, entstehen Erfahrungen der Nähe Gottes
und damit ein tieferes Verständnis für die Geheimnisse eines
erfüllten Lebensweges.
Propst Peter Godzik